Verzascatal – Ein alternativer Transportdienst für Bevölkerung und Gäste

An schönen Tagen stauen sich die Privatautos von Tagesgästen im Verzascatal. Einheimischen ohne eigenes Auto fällt es jedoch schwer, von A nach B zu kommen, denn der ÖV-Fahrplan ist dünn. Darum haben die Gemeinden des Verzascatals «Verzasca Mobile» ins Leben gerufen – mit Erfolg. Immer mehr Menschen buchen den kostengünstigen Fahrdienst.

Im Herbst, Winter und Frühling bleiben die rund 900 Einwohnerinnen und Einwohner des Verzascatals meist unter sich. Weil Postautos selten fahren, ist es vor allem für Leute ohne eigenes Auto mühsam, von Dorf zu Dorf oder in den Talboden zu kommen, zum Beispiel nach Tenero oder Locarno.
Im Sommer geht es dagegen hoch her, vor allem an den Wochenenden. Jährlich besuchen rund 300'000 Tagestouristinnen und -touristen das Tal. Die meisten – rund 92 Prozent – kommen mit dem Auto oder dem Camper. Die Folgen sind oft Staus, wildes Parkieren und Lärm. 

Vom Shuttlebus bis zum Parkplatz: Vier Ansätze für nachhaltige Mobilität

Vor diesem Hintergrund entstand das «Progetto Mobilità Verzasca». Initiiert hat es der Verband der Gemeinden des Verzascatals und des Talbodens in Zusammenarbeit mit der Stiftung Verzasca, PostAuto, den SBB, dem Kanton Tessin und conim ag, einer Plattform für nachhaltige Geschäftsideen.
Die Projektgruppe setzte sich zum Ziel, die Mobilität im Tal nachhaltiger zu machen. Sowohl Gäste als auch Einheimische sollten dabei profitieren.
Nach einer Situationsanalyse und einer Auswertung der Ergebnisse entwickelte sie vier Teilprojekte:
  • Verzasca Mobile: Ein Minibus, der sich via App reservieren lässt. Er bringt Feriengäste und Einheimische ohne eigenes Auto von Tür zu Tür und verbindet das Verzascatal mit dem Talboden. 
  • Shuttle Talboden-Verzascatal: An Spitzentagen im Sommer fährt der Shuttlebus Gäste morgens ins Verzascatal und nachmittags zurück in die Ebene. 
  • Park&Ride Aree Verdi: Gäste parkieren ihr Auto im Talboden und bewegen sich mit dem öffentlichen Verkehr frei im Verzascatal. Sie bezahlen für das Kombiticket Parkplatz-ÖV einen vergünstigten Preis.
  • Fahrdienste für ältere und behinderte Menschen in Zusammenarbeit mit Pro Infirmis: Sie buchen den Dienst für Fahrten innerhalb des Tals, in die Ebene und zurück.

Grosse Parkflächen im Talboden sind rar

Bei der Umsetzung stiess das Projektteam jedoch auf Hindernisse. Nicht alle Teilprojekte liessen sich realisieren. So fand sich im Talboden keine genügend grosse Parkfläche, wo Tagesgäste ihr Fahrzeug abstellen können. «Mindestens 200 Autos weniger pro Tag wären jedoch nötig gewesen, um das Tal spürbar vom Individualverkehr zu entlasten», sagt Projektleiter Alessandro Speziali. Es hätte auch zusätzliche Busse gebraucht, um die Tagesgäste zu transportieren. Doch auf der kurvenreichen Hauptstrasse des Bergtals kann nur eine beschränkte Anzahl pro Tag verkehren. Somit verzichtete das Projektteam auf Park&Ride Aree Verdi und den Shuttle Talboden-Verzascatal. Stattdessen installierte es am Taleingang digitale Tafeln, welche die Anzahl freier Parkplätze im Tal anzeigen.

Der Fahrdienst «Verzasca Mobile» wird immer beliebter

Auch freiwillige Fahrerinnen und Fahrer für die verschiedenen Teilprojekte zu finden, gestaltete sich schwierig. Das Projektteam legte deshalb «Verzasca Mobile» mit dem Fahrdienst für ältere und behinderte Menschen zusammen – eine Idee, die Erfolg hatte. Das Angebot wird bei Einheimischen und Gästen immer beliebter, wie die Zahlen zeigen (siehe «Erfolge»). «Das Echo ist durchwegs positiv», sagt Speziali. «Wir haben bisher keine einzige negative Reaktion erhalten.»
Die Minibusse bringen die Fahrgäste beispielsweise zum Arzt, zur Post oder vom Bahnhof im Talboden zu grösseren Veranstaltungen. Der Dienst ist sieben Tage die Woche buchbar und passt sich der Nachfrage an. Auch Rollstühle und Kindersitze stehen zur Verfügung.

Zusammenschluss mit anderen Talschaften angedacht

Trotz der Beliebtheit ist die Zukunft von «Verzasca Mobile» noch nicht gesichert. Zwar decken die Einnahmen aus den Fahrten einen Teil der Kosten. 2024 laufen jedoch die Subventionen aus. Das Projektteam will den Service daher weiter professionalisieren und selbsttragend machen. Dafür sucht es ein Modell, das genügend Einnahmen bringt, aber dennoch faire Preise bietet. «Derzeit ist der Fahrdienst ein wenig teurer als ein ÖV-Billett, aber viel günstiger als ein Taxi», sagt Speziali, «und das soll auch so bleiben.» Er und sein Team erwägen einen Zusammenschluss mit anderen Tälern, um die Chancen auf eine kantonale Finanzierung zu steigern. So liesse sich das Angebot kostengünstiger und effizienter gestalten.
Kontakt
Alessandro Speziali, Koordinator Masterplan, Stiftung Verzasca
info@fondazioneverzasca.ch
Kosten und Finanzierung
Entwicklungsphase: 
– KOMO: 40'000 CHF
– Eigenmittel: 60'000 CHF

Pilotphase:
– Bundesamt für Verkehr: 180'000 CHF
– Kanton Tessin, Amt für Wirtschaftsentwicklung: 350'000 CHF
– Eigenmittel: 228'000 CHF
– PostAuto: 37'000 CHF
– SBB: 15'000 CHF
– Regionale Tourismusorganisation, Verein für Verkehr und Umwelt: weitere Mittel
Zeitdauer
Entwicklungsphase 2020-2021,
Pilotphase 2022-2024
Involvierte Akteure
Verband der Gemeinden des Verzascatals, Stiftung Verzasca, PostAuto, SBB, conim ag, Kanton Tessin, regionale Entwicklungsorganisation Locarno und Vallemaggia, Tourismus Lago Maggiore und Täler
Interkommunale Zusammenarbeit/ Beitrag der Gemeinde
Verband der Gemeinden des Verzascatals
Erfolge
2000 Downloads der App, 5800 Buchungen, 7700 Passagiere (Stand September 2022)
Herausforderungen
Selbsttragend werden
Regionale Bedeutung
Beispielhaftes Projekt für andere entlegene Täler
Nachhaltige Perspektive
100% elektrisch betriebene Minibusse
Fahrten mit dem Privatauto vermeiden
„Tipps und Tricks“
– Ans Projekt glauben
– Dranbleiben
– Testen
– Investieren