Schaffhausen – So animiert «Nudging» dazu, eine Solaranlage zu installieren
Wie bringt eine Stadt ihre Bevölkerung dazu, mehr Solaranlagen zu installieren, und das ohne neue Gesetze oder Fördergelder? Schaffhausen hat es mit «Nudging» probiert. Die Technik aus der Verhaltensforschung fördert Entscheidungen und kostet wenig.
«Auf Ihrem Dach schlummert ungenutztes Potenzial: Ihnen sind im letzten Jahr Solarenergie-Erträge im Wert von rund 3000 Franken entgangen.» Mit solchen und ähnlichen Worten hat die Stadt Schaffhausen Hausbesitzerinnen und -besitzer angeschrieben. Das Ziel: Sie dazu animieren, mit Photovoltaik auf dem eigenen Dach Strom oder Wärme zu produzieren.
Bildquelle: iStock
«Nudging» lässt sich in verschiedensten Gebieten einsetzen, zum Beispiel im Verkehr.
«Nudging» fördert Entscheide
Die Technik nennt sich «Nudging», vom Englischen «to nudge», anstupsen, anstossen, und stammt aus der Verhaltensforschung. Sie soll dazu bewegen, Entscheide zu treffen. Häufig geht es dabei um Gesundheitsförderung oder Nachhaltigkeit. Man soll beispielsweise die Treppe statt des Lifts benutzen, in der Kantine eine Frucht statt eines Schokoriegels wählen oder den Abfall in den vorgesehenen Behältern entsorgen. Ramon Göldi, Smart-City-Verantwortlicher von Schaffhausen, sieht in Politik und Verwaltung Potenzial für die Methode: «Es ist eine gute Art, Leute zu Entscheidungen anzuregen, ohne ihnen etwas vorzugeben.»15 Prozent buchten eine Beratung
Die Stadt Schaffhausen hat «Nudging» mit erneuerbaren Energien gepaart, als Beitrag zu ihrer Klimastrategie. Auf Anregung und Impuls der Universität Lausanne hat die Stadt drei unterschiedliche Briefe an je 150 Hausbesitzerinnen und -besitzer versandt. Brief 1 informierte neutral über Photovoltaik, Brief 2 setzte auf den Vergleich mit der Nachbarschaft, die bereits eine PV-Anlage hat, und Brief 3 betonte die finanziellen Einbussen beim Verzicht auf Solarenergie. In allen drei Briefen bot man der Zielgruppe ein kostenloses Beratungsgespräch an. Die Adressatinnen und Adressaten reagierten jedoch ganz unterschiedlich. Bei Brief 1 und 2 buchten lediglich 5,3 und 6,6 Prozent ein Gespräch. Bei Brief 3 dagegen waren es 15,3 Prozent.Wir werten Verluste stärker als Gewinne
Dass die Version mit dem Hinweis auf finanzielle Einbussen so viel mehr Echo erzeugte, überrascht laut Ramon Göldi nicht: Aus der (Verhaltens-)Psychologie sei bekannt, dass Verluste stärker gewertet werden als Gewinne. Die effektiven Installationszahlen entwickeln sich aktuell noch nicht gleich wie das Interesse an den erwähnten Beratungsdienstleistungen. Göldi ist deswegen jedoch nicht beunruhigt: «So ein Projekt braucht Zeit», meint er. Die Stadt will deshalb noch warten, bis sie eine endgültige Bilanz zieht.Auch Lenzburg stupst seine Bürgerinnen und Bürger an
Gelohnt hat sich das Projekt laut Göldi aber bereits heute: Zum einen sei das Interesse von potenziellen Solarstromerzeugerinnen und -erzeugern geweckt, zum andern seien Politik und Verwaltung sensibilisiert: «Sie können das Nudging-Prinzip nun auf weitere Gebiete anwenden.» Anderswo hat der Versuch von Schaffhausen Nachahmer gefunden, zum Beispiel in Lenzburg.Bildquelle: iStock
«Nudging» lässt sich in verschiedensten Gebieten einsetzen, zum Beispiel im Verkehr.
Ein Projekt (fast) zum Nulltarif
Das Nudging-Projekt hat abgesehen vom Briefporto und den aufgewendeten Arbeitsstunden kaum etwas gekostet. Schaffhausen griff auf bestehende Informationen zurück, zum Beispiel auf Grundbuchdaten, Satellitenbilder und die Plattform «Sonnendach»: Dort erfahren Interessierte innert Sekunden, wie viel Wärme und Strom sie auf ihrem Dach produzieren und welche Erträge sie generieren könnten. Beim Forschungsprojekt mit der Stadt Schaffhausen übernahm die Universität Lausanne viele Arbeiten. Inzwischen bietet die daraus entstandene gemeinnützige Initiative «Solarize» die Organisation, den Briefversand und die Auswertung der Rückmeldungen kostenpflichtig an.
Kontakt
Universität Lausanne IDHEAP
Prof. Dr. Oliver Neumann
oliver.neumann@unil.ch
Universität Lausanne IDHEAP
Zoe Banks
joycezoe.banks@unil.ch
Stadt Schaffhausen
Ramon Göldi
Programmleiter Smart City Schaffhausen
smartcity@stsh.ch
Das Nudging-Projekt hat abgesehen vom Briefporto und den aufgewendeten Arbeitsstunden kaum etwas gekostet. Schaffhausen griff auf bestehende Informationen zurück, zum Beispiel auf Grundbuchdaten, Satellitenbilder und die Plattform «Sonnendach»: Dort erfahren Interessierte innert Sekunden, wie viel Wärme und Strom sie auf ihrem Dach produzieren und welche Erträge sie generieren könnten. Beim Forschungsprojekt mit der Stadt Schaffhausen übernahm die Universität Lausanne viele Arbeiten. Inzwischen bietet die daraus entstandene gemeinnützige Initiative «Solarize» die Organisation, den Briefversand und die Auswertung der Rückmeldungen kostenpflichtig an.
Kontakt
Universität Lausanne IDHEAP
Prof. Dr. Oliver Neumann
oliver.neumann@unil.ch
Universität Lausanne IDHEAP
Zoe Banks
joycezoe.banks@unil.ch
Stadt Schaffhausen
Ramon Göldi
Programmleiter Smart City Schaffhausen
smartcity@stsh.ch
Kosten und Finanzierung
Arbeitsstunden der Stadt Schaffhausen
Briefporto, finanziert durch die Stadt Schaffhausen
Briefporto, finanziert durch die Stadt Schaffhausen
Zeitdauer
2022-2024
Involvierte Akteure
Fachstelle Smart City, Stadt Schaffhausen
Fachstelle Umwelt/Energie, Stadt Schaffhausen
Universität Lausanne
ETH Zürich
Smart City Hub Switzerland
EnergieSchweiz für Gemeinden
Fachstelle Umwelt/Energie, Stadt Schaffhausen
Universität Lausanne
ETH Zürich
Smart City Hub Switzerland
EnergieSchweiz für Gemeinden
Erfolge
Interesse geweckt
Nachhaltige Perspektive
Smart-City-Strategie und Klimastrategie erfüllen
„Tipps und Tricks“
- Ein «nudge» soll einen Entscheid erleichtern, ihn aber nicht vorwegnehmen
- Datenschutz respektieren: nur mit öffentlichen Daten arbeiten und darauf hinweisen, dass man keine geheimen Informationen nutzt
- Von offizieller Seite kommunizieren und die Gründe der Initiative offenlegen, zum Beispiel eine städtische Klimastrategie